Fragen stellen Gestaltung?
Das Projekt PARKS verortet sich seit dessen Beginn 2019 auf einem ehemaligen Recyclinghof im Osten von Hamburg und ist gleichzeitig ein ortsübergreifendes Konzept, dessen Arbeitsweisen und Gestaltungsprozesse in Teilen auf andere Orte übertragbar sind. Zentral ist das Transformieren im Prozess – nicht disruptiv, sondern radikal ressourcenschonend und immer aus dem Bestand heraus. Pflegen und Kümmern in aktiver Teilhabe werden dabei als Gestaltungswerkzeuge verstanden.
PARKS kuratiert den Alten Recyclinghof im Sinne des Ermöglichens: Freiräume werden bewusst erhalten, Nutzungsweisen überlagert, Prozesse offengelegt und vermittelt.
PARKS ist ein Projekt des Hallo: e.V. und wird von Julia Marie Englert, Dorothee Halbrock, Johanna Padge, Nuriye Tohermes u.v.m. umgesetzt.
Im Prozessverlauf stellen sich uns immer wieder konzeptionelle und praktische Fragen. Einige Fragen haben sich im Laufe der Zeit verändert, einige sind geblieben, stetig kommen neue hinzu. Das Sammeln und Vermitteln der offenen Fragen sehen wir als Teil unserer Arbeit und haben von Stephanie Jacobs den Ausdruck “labor of questioning” für das kontinuierliche Bewegen des Offenen geliehen.
Zu Beginn des Prozesses um PARKS gab es durch die städtische Gemengelage Themen, die stetig ausgehandelt wurden. Begriffe wie “grüne Achse” und “Magistrale” in Kombination mit Renderings suggerierten die Planung einer geradlinigen, konturlosen Parkanlage. Diese Perspektive wollten wir verschieben: Statt “Magistrale” schlugen wir “mäandern” vor, statt “grüner Achse”, eine Abfolge von Nischen und Freiflächen. Wir stellen anhand des Alten Recyclinghofs die Thesen in den Raum, dass auch ein asphaltierter Hof ein Park ist, dass ein Grünzug keine einheitliche Gestaltung benötigt und dass in einem öffentlich Park Gebäude – eie ein Atelierhaus – bestehen können, deren Nutzer*innen einen wichtigen Teil zur Pflege und Programmierung des öffentlichen Raums beitragen.
Unsere Fragen kreisten dementsprechend um Methoden zur Sichtbarmachung der Topologie der eingebundenen Stadtteile sowie der Besonderheiten der Nachbarinnenschaft. Wir suchten nach Worten. Gemeinsam musste eine Sprache gefunden werden – zwischen dem PARKS-Team, der erweiterten Nachbarinnenschaft und der städtischen Verwaltung – um gemeinschaftlich eine neue Vision für den Grünzug zu ermöglichen, die alle Parteien mittragen. Wir fragten während Workshops, Spaziergängen und Nachbarinnenstammtischen: Auf der Basis, dass alles schon da ist, welche gestalterischen Eingriffe braucht der Raum und wie werden diese hergestellt? Welche Nutzungen werden unterstützt und wie treffen wir Entscheidungen darüber? Wie verteilt sich die Verantwortung zwischen der PARKS-Initiative, Nachbarinnenschaft und der städtischen Verwaltung?
In der nunmehr fünften PARKS-Saison begleiten uns weniger akute Fragen nach der Herstellung eines neuen öffentlichen Raums, als vielmehr die Frage danach, wie der Prozess verstetigt werden kann.
Wie zum Beispiel die Magic-PARKS-Moments: Die Momente in denen die Rentnerinnensportgruppe neben den Kickboxerinnen unter dem Dach trainiert, eine Ausstellung in den ZOLLO-Containern aufgebaut wird, Studierende einen Rundgang machen, eine Gruppe auf den Sitzflößen Plenum hält, die Gärtnerinnen die Pflanzabfolge besprechen und Jugendliche Basketball spielen. (Hier könnten unzählige Konstellationen und Tätigkeiten genannt werden.) Das, was den Moment magic macht, ist das entspannte Nebeneinander, im Wissen umeinander und im Wissen um den Raum – die geteilte Verantwortung und die geteilte Freude. Wir fragen uns: Wie können diese Momente langfristig und in immer neuen Konstellationen entstehen? Wie lassen sich Verstetigung und Informalität verbinden, um den Raum auch in Zukunft nicht anonym wirken zu lassen und Gestaltungsspielräume offen zu halten? Wie lassen sich Situationen der geteilten Verantwortung – mit Freude – am Ort erhalten? Wie können zukünftig städtische Verantwortungsträger*innen und Projekte auf Augenhöhe miteinander arbeiten? Oder, was für Kennzahlen oder Methoden der Evaluation brauchen Projekte wie PARKS um langfristig ernst genommen zu werden? Und, welche Form der Evaluierung ist PARKS bereit zu liefern?
Bei PARKS ist die Parkmeisterin die Moderatorin zwischen Nachbarinnenschaft und städtischen Vertreterinnen, zwischen Ökologie und Nutzung. Sie unterstützt die Selbstorganisation der Nachbarinnenschaft und ist verlässliche Ansprechpartnerin. Sie pflegt die Fläche durch ihre Arbeit, durch Bauen und Pflanzen praktisch, gleichzeitig forscht und konzipiert sie den Prozess fortlaufend. Sie agiert, wenn nötig, als Anwältin des Ortes. Sie arbeitet unter der Prämisse, dass ‘alles schon da ist’. Sie kuratiert sanft, arrangiert, stellt Verbindungen her und ordnet an, um Freiräume bestehen zu lassen. Sie will darüber streiten, was öffentlicher Raum ist und sein kann. Trotz der umfangreichen Tätigkeiten wird zur Zeit nur ein Teil der anfallenden Arbeit bezahlt – womöglich auch, weil nur ein Teil der Arbeit “sichtbar ist”. In Bezug auf die Parkmeisterinnen-Position fragen wir uns: Ist die Parkmeisterin eine weitere Stellenbeschreibung oder kann sie die Schnittstelle sein, die Selbstorganisation langfristig ermöglicht? Und wenn ja, wie? Falls es die Position zukünftig geben sollte – von wem wird sie bezahlt werden? Welche Positionen und Körperschaften sollte es bei PARKS, abgesehen von der Parkmeisterin und den Kümmer*innenschaften, noch geben?
PARKS ist Vieles: Sozialraum, Raum für Kultur, für Sport, für Lehre. Wie kann eine Förder- und sonstige Ermöglichungsstruktur aussehen, die diese transdisziplinäre Arbeit unterstützt?
Sollte sich die Parkmeister*in selbst abschaffen?
Neben diesen prozessbasierten - sind auch einige übergeordnete Fragen geblieben.
In Anlehnung an die Feststellung von Prof. Hans Joachim Lenger, dass der öffentliche Raum immer auch ein Repräsentationsraum von Macht ist und keineswegs ein “Eldorado der Demokratie”, stellen wir uns die Frage: Welche Art und Weise von Macht repräsentiert PARKS?
Können Räume wie PARKS Trainingsfelder sein, um zu lernen, wie Selbstorganisation auf der einen Seite und städtische Organisationsprozesse auf der anderen in Hamburg funktionieren?
Sind Räume wie PARKS Symbol dafür, dass Staat sich seiner Daseinsfürsorgepflicht entzieht und die Zivilgesellschaft herstellen muss, was ansonsten verbleicht: das Gefühl den Lebensraum mitgestalten zu können, Verantwortung außerhalb der eigenen vier Wände zu tragen, einen Treffpunkt für Menschen unterschiedlicher Generationen und Hintergründe zu haben? Und viele mehr.
Wir werden weiter Fragen stellen, wir müssen weiter Fragen stellen, denn wenn wir aufhören zu fragen, müssen wir uns einen anderen Job suchen.